Die Menschen machen immer ganz große Augen wenn ich sage, dass ich gerade einen meiner Ex-Auftraggeber verklage. „Wie? Ist das nicht total teuer und aufwendig?“
Meine Antwort: „Nein, ist es eben nicht. Denn die Inanspruchnahme der Rechtsantragstelle bei einem deutschen Arbeitsgericht ist kostenlos.“ Also, zum Beispiel das Einreichen einer Zahlungsklage oder einer Kündigungsschutzklage.
Und das ist auch gut so. Wäre ja noch schöner, wenn man als nicht-bezahlter Arbeitnehmer auch noch selbst in die Tasche greifen müsste, um seine Ausbeuter rechtlich anzugreifen.
Da es mir am Herzen liegt, Arbeitnehmer zu emanzipieren, möchte ich hier ein kurzes „How to Arbeitgeber verklagen“ anlegen, das einen soften Einstieg in das Thema bietet.
First things first: Wo kann ich meinen Arbeitgeber verklagen, wenn er nicht zahlt?
Als Arbeitnehmer kannst du gegen deinen Arbeitgeber eine Zahlungsklage vor dem Arbeitsgericht erheben. Dabei ist es erstmal egal, in welchem deutschen Bundesland du wohnst.
Denn die Arbeitsgerichtsbarkeit ist bundesweit einheitlich geregelt. Es gibt also in jedem Bundesland Arbeitsgerichte.
In der Regel ist das Arbeitsgericht zuständig, in dessen Bezirk sich der Arbeitgeberbetrieb befindet. Es gibt jedoch auch Ausnahmen, beispielsweise wenn der Arbeitsvertrag eine Gerichtsstandsklausel enthält oder wenn es um grenzüberschreitende Arbeitsverhältnisse geht.
Was kann ich alles einklagen?
Die Gerichte für Arbeitssachen sind für Streitigkeiten zuständig, die unter eine der folgenden im Arbeitsgerichtsgesetz genannten Angelegenheiten fallen.
Relevant sind für dich wahrscheinlich vor allem diese Bereiche:
- Kündigungsschutzklage
- Überprüfung der Wirksamkeit einer Befristung
- Anfechtung eines Aufhebungsvertrags
- Ansprüche auf Lohn oder Gehalt
- Urlaub, Urlaubsvergütung und -geld
- Zeugniserteilung bzw. Zeugnisberichtigung (gehört eh abgeschafft, wenn ihr mich fragt)
- Erteilung und Herausgabe von Arbeitspapieren
- Entfernung von Abmahnungen
- Betriebsrente
- Wettbewerbsverbote: Schadensersatz, Karenzentschädigung
Okay. Ich weiß jetzt, was ich alles einklagen kann. Aber wie mache ich das alleine?
Deutschland, das Land der Bürokratie, hat zum Glück für fast alles die passenden Formulare parat.
Auf der Website der Arbeitsgerichte (hier: Berlin) findest du Formulare für Zahlungsklagen, Kündigungsschutzklagen und Mahnbescheide.
Du sparst dir Zeit und Kosten, wenn du einfach die auf der Homepage zum Download verfügbaren Formulare für eine Kündigungs- bzw. eine Zahlungsklage verwendest.
Nach dem Download musst du die Formulare nur noch ausfüllen, drucken und bei „deinem“ Arbeitsgericht in doppelter Ausfertigung nebst Anlagen einreichen, am besten via Standard-Postsendung. Et voilà.
Als nächstes klopfst du dir auf die Schulter und wartest ganz entspannt zuhause auf Post. Denn es geht schon bald in die sogenannte Güteverhandlung.
Zahlungsklage: Wer kann den Prozess führen?
Du kannst den Prozess persönlich führen. Das macht alles sehr viel einfacher, denn du brauchst keinen Anwalt, der dich vertritt.
Mit etwas Vorbereitung und Mut schaffst du das alles: alleine.
Wie läuft das arbeitsgerichtliche Verfahren ab – und was kostet mich das?
In der Regel findet bereits wenige Wochen nach dem Eingang deiner kostenlosen Klage beim Arbeitsgericht eine Güteverhandlung direkt beim Amtsgericht statt. Hier ist seitens der Judikative nur der Berufsrichter anwesend.
Diese erste, außergerichtliche Güteverhandlung dient der Beschleunigung des Verfahrens. Der Staat versucht also zeitnah eine sogenannte „gütliche“ Einigung der Parteien herbeizuführen. Erst, wenn das nicht möglich ist, wird eine Kammerverhandlung vorbereitet, wo dann auch ehrenamtliche Richter anwesend sind.
Und das Beste: Jede Partei trägt die Kosten für die Zuziehung eines Anwalts im Rechtsstreit erster Instanz selbst.
Das heißt: Muss sich dein Arbeitgeber einen Anwalt holen und du verlierst hinterher den Rechtsstreit, musst du nicht (!) seine Anwaltskosten zahlen.
Das ist besonders, normalerweise trägt die unterliegende Partei die Anwaltskosten.
Was jedoch anfällt, sind die Gerichtskosten. Aber keine Sorge: Die bemessen sich nach dem Streitwert. In der Regel wirst du also – selbst, wenn du verlierst – bei einem Streitwert von 2.500 Euro maximal Gebühren von ungefähr 200 Euro zahlen müssen.
Zahlungsklage: Ist es den Aufwand wirklich wert? Ich weiß nicht, ob ich Bock auf eine Verhandlung habe,…
Personal Take: Wenn es schon die kostenlose Möglichkeit gibt, seinen (Ex-)Arbeitgeber oder Auftraggeber zu verklagen, dann sollten wir das als mündige Bürger auch nutzen und all unseren Freunden davon erzählen.
Ich finde: Das Arbeitsgericht ist eine wunderbare externe Möglichkeit, um ausbeuterische Arbeitgeber auf ihr fehlendes Verantwortungsbewusstsein hinzuweisen. Ihnen zu zeigen: Nur, weil ich dir hierarchisch unterlegen war, heißt das nicht, dass du im rechtsfreien Raum agieren kannst. Eine Klage kann also eine gewisse Genugtuung mit sich bringen.
Stellt euch einfach mal das Gesicht eures Ex-Chefos vor, wenn er den Brief vom Gericht aufmacht?
Du, lieber Arbeitgeber, hast dich an Gesetze zu halten, Löhne zu zahlen und kannst nicht von mir erwarten, ohne Geld für dich zu arbeiten.
Dennoch weiß ich aus Erfahrung, dass sich einige Arbeitgeber genau dieses Mindset angeeignet haben. Sie glauben, dass sie in der Machtposition sind, weil sie dir den Arbeitsvertrag ausgestellt haben, für den du verdammt nochmal dankbar sein solltest. Das Ding ist: Der Vertrag spielt dir in dieser Situation sogar in die Hände.
Zahlungsklage: Was ist, wenn ich gar keinen Arbeitsvertrag bekommen habe?
Auch hier ist das Arbeitsgericht der richtige Ansprechpartner. Das habe ich mühsam durch eigene Recherchen feststellen müssen.
Denn selbst wenn es keinen Arbeitsvertrag geben sollte, greifen die allgemeinen Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches: Für das Zustandekommen eines (Arbeits)vertrags bedarf es zweier inhaltlich übereinstimmender Willenserklärungen – namens Angebot und Annahme – gem. §§ 145 ff. BGB. Das Fehlen der schriftlichen Form führt also nicht zur Unwirksamkeit eines Arbeitsverhältnisses.
Oder, anderes formuliert: Indem du für jemanden gearbeitet, seine E-Mails beantwortet oder auf einer Website als Dienstleister präsentiert wurdest, ist qua Gesetz ein Arbeitsverhältnis zustande gekommen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass du kostenlos für ein gewinnorientiertes Unternehmen tätig wirst.
Da helfen auch Klauseln wie: „Klarstellend halten die Parteien fest, dass durch die einzelnen Projektverträge kein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien begründet werden soll.“ nichts.
Also: Ich wünsche dir viel Spaß beim Ausfüllen der Formulare und Schreiben deiner Klagebegründung – und denk immer daran: E-Mails sind Beweise. Je detaillierter du darlegen kannst, wann du in welcher Form für jemanden gearbeitet hast, desto wahrscheinlicher wirst du mit deiner Klage Erfolg haben.
Mehr hilfreiche Informationen findest du auf meinem Insta, unter Bundesarbeitsgericht und dem FAQ des Arbeitsgerichts Berlin.
Frohes Verklagen,
Bixe Jankovska
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