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Kündigen oder bleiben? Was ich nie erlebt hätte, wäre ich in der Firma geblieben

Ich sage gerne, dass wir alle einmal sterben werden, weil es wahr ist. Die Tatsache, dass unser Leben begrenzt ist, hat mir schon früh dabei geholfen, die Frage “Kündigen oder bleiben?” mit “Kündigen” zu beantworten, wenn es nicht mehr ging.

„Aber was dann?“, höre ich immer von meinen Klienten und ich habe keine finale Antwort. Denn die Zeit nach einer Kündigung kann für jeden ganz anders aussehen. Manche möchten ihre Wohnung renovieren und es sich zuhause gemütlicher machen. Andere – so wie ich – erstmal weit weg oder Dinge erleben, die vorher wegen der begrenzten täglichen Freizeit unmöglich waren.

So ist die Idee zu dieser Liste entstanden. Damit ich selbst, und andere nachlesen können, was seit der Kündigung als festangestellte Journalistin im Jahr 2016 alles passiert ist. Damit ihr sehen könnt, was alles möglich ist, nachdem man den Laden verlassen hat. Übrigens: ich hatte zum Zeitpunkt meiner Kündigung kaum Erspartes, keinen Ehemann und auch sonst niemanden, der mich finanzierte. Ich war 25 – und absolut fearless.

Let’s go!

  1. Während meiner Arbeitslosigkeit 2016 habe ich einen Monat in Thailand verbracht und auf dem Moped in Koh Chang um mein Leben gebangt. Check mal gleich deinen Urlaubsanspruch bei Kündigung btw.
  2. 2017 habe ich mich als Autorin selbstständig gemacht und meine Arbeit um mein Leben herum aufgebaut (und nicht umgekehrt).
  3. Ein Jahr später habe ich in Stockholm gelebt, bin bei -20 Grad durch den Skuleskogen-Nationalpark gewandert und bin zu einem kleinen Schweden-Fangirl geworden.
  4. Ein bisschen Schwedisch habe ich auch gelernt.
  5. Ich habe seit 2018 drei, bald vier Bücher in Verlagen (Rowohlt, Haymon, Palomaa) veröffentlicht – Bücher, die ich ohne meine Selbstständigkeit nicht hätte zu Ende bringen können.
  6. 2020 habe ich einen Hund aus dem Zwinger geholt – und dank meiner flexiblen Arbeit (siehe Punkt 2) habe ich genügend Zeit für ihn gehabt.
  7. Ich war unter der Woche bis spätnachts auf Dates und habe den ganzen Vormittag #AusGründen verschlafen. Oopsi!
  8. Ganz generell gesprochen, habe ich oft mein Liebesleben und meine Freunde anstelle der Arbeit priorisiert. Das hat sich finanziell bemerkbar gemacht, aber das war es mir definitiv wert.
  9. Kündigen oder bleiben? Keine Ahnung. Ich weiß jedenfalls inzwischen oft nicht mehr, welcher Wochentag ist und genieße das sehr.
  10. Der beste Tag zum Feiern ist seit meiner Kündigung der Sonntag. Gut, um auch hier ehrlich zu sein: Ich lebe auch in Berlin.
  11. 2021 habe ich nochmal ein neues Studium der Rechtswissenschaft begonnen (Master), weil ich mich breiter aufstellen wollte. Das war hart, aber wichtig.
  12. Ich habe als freie Dozentin an der HU Berlin gearbeitet und meine eigenen Kurse entwickelt.
  13. Durch meinen Aktivismus und meine Texte habe ich plattformübergreifend 11.000 Follower gesammelt.
  14. Meine besten Freunde habe ich im Internet gefunden.
  15. Ich war wandern. Sehr, sehr, sehr viel wandern, um meinen Kopf frei zu kriegen und zu überlegen, was ich wirklich von diesem Leben möchte. Die Antwort darauf ist glasklar.
  16. Ich habe mich in Therapie begeben, um meine toxic traits abzulegen.
  17. Ich war seit 2022 jeden Winter in Tenerife und habe von dort aus gearbeitet – an thx bye, an Freelance-Aufträgen und meinen Blogs.
  18. Funfact: Die Idee zu thx bye ist auch im Ausland entstanden. Genauer gesagt kam mir eines Abends auf dem Sofa der Geistesblitz.
  19. Ich habe wirklich, wirklich viele Bücher gelesen und rezensiert.
  20. Und sicher mehr als 100 Pastéis de nata gegessen.
  21. Ich war mit meinen zwei ältesten Freundinnen aus Wien einen Monat in Sri Lanka backpacken. Das war super stressig und ich war komplett überfordert, aber ich werde nie vergessen wie ich zehn Seiten meines ersten Buchs auf diesem Bahnhof in Colombo geschrieben habe.
  22. 2022 bin ich auf einer indischen Hochzeit gewesen und danach zwei Wochen länger geblieben. Ganz alleine.
  23. Ich habe die meisten meiner Tage seit 2016 so gestaltet, wie ich wollte. Ja, dazu gehörte zeitweise auch viel Arbeit und durchaus der eine oder andere 10-Stunden-Tag am PC. Aber es war nicht die Regel, mich selbst auszubeuten.
  24. Ich habe Freundinnen in London, Göteborg, München und Wien besucht, die ich sonst nie hätte (länger als 2 Tage) besuchen können.
  25. Und an allen meinen Geburtstagen seit 2016 frei gemacht. 2024 waren wir zu viert im Vabali Berlin. An einem random Mittwoch.
  26. Wenn es mir nicht gut ging, wusste ich, dass ich jederzeit „zuhause bleiben“ und einen Mental-Health-Day machen kann.
  27. Die Frage “Kündigen oder bleiben” stellte sich dementsprechend seltener, da ich nirgendwo mehr kündigen konnte.
  28. Ich habe mir einen Kombi gekauft. Wegen Schweden, wegen Italien, wegen dem Hund, wegen der damit verbundenen Freiheit.
  29. 2023 habe ich entschieden, den Sommer nicht in Berlin zu verbringen. Stattdessen war ich einen Monat in Kroatien und einen halben Monat in Schweden, um Quality-Time mit Freunden zu haben.
  30. 2024 durfte ich mehr als drei Monate im Ausland verbringen, darunter: Italien, Albanien und Griechenland. Albanien war sogar ziemlich sicher mein bester Roadtrip ever.
  31. Gerade habe ich beschlossen, 2025 noch mehr remote zu leben – ungefähr ein Drittel des Jahres, sodass ich dort sein kann, wo es mir am besten geht (Meer), ohne den Kontakt zu meinem Netzwerk (Berlin) zu verlieren.

Wie könnte deine Liste aussehen?

Übrigens: In meinem Buch „Potenziell furchtbare Tage“ (Haymon) schreibe ich über die Scham rund ums Thema Kündigen, und was wir gewinnen, wenn wir uns endlich trauen, zu gehen.
Wenn du 1:1 mit mir sprechen möchtest, buch dir am besten einen Call via Calendly.

Von Bianca Jankovska

Bianca Jankovska ist Kommunikationswissenschaftlerin und Wirtschaftsjuristin by Abschluss, Autorin und Philosophin by heart. Sie ist Gründerin des Magazins Groschenphilosophin - das erste Mag zur politischen und psychosozialen Dimension von Social Media, Spätkapitalismus und Popkultur.