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Das große Missverständnis beim Thema Kündigen

Es gibt nur zwei Arten von Menschen auf der Welt. Die, die in einer Festanstellung für den Profit anderer arbeiten können und die, die genau das nicht können.

Es gibt nur zwei Arten von Menschen auf der Welt. Die, die in einer Festanstellung für den Profit anderer arbeiten können und die, die genau das nicht können.

Also theoretisch „können“ sie es natürlich schon, aber das Verbiegen für Vorgesetzte und Kollegen kommt mit erheblichen psychischen Begleiterscheinungen daher, talking Depressionen, Angststörungen, Panikattacken und geringer Selbstwert.

„Wieso kann ich nicht einfach normal sein?“, sagt mir eine Klientin am Freitagnachmittag und ich möchte sie gerne in den Arm nehmen.

Denn ich erinnere mich an die vielen, vielen, vielen Monate und Jahre, in denen ich mir genau das selbst am allermeisten gewünscht habe.

Ich wollte fähig sein, diesen ganzen BS von 9-to-5 über mich ergehen zu lassen, ich wollte nicht hinterfragen, warum dieses oder jenes so gemacht wird und nicht anders. Ich wollte dazugehören, brav sein, damit meine Eltern stolz auf mich sind, ich wollte einen ordentlichen LinkedIn-Titel und eine steile Karriereleiter, die ich Jahr für Jahr erklimmen könnte.

Während ich mit meiner Klientin über ihre Situation spreche, sehe ich etwas, das ich gerne früher in mir selbst gesehen hätte. Neugier. Passion. Ehrgeiz. Nur eben „leider“ nicht für das Unternehmen, in dem sie arbeitet. Das ist das große Missverständnis beim Thema Kündigen: Menschen glauben, sie sind faul, dumm, schlecht, weil sie kündigen.

Und sehen dabei nicht, dass sie gar nicht nicht arbeiten wollen – sondern schlichtweg nicht für die Träume anderer.

Sie können es nicht leiden, wenn ihre Zeit von Managern diktiert wird, und nicht dem eigenen Antrieb, der eigenen Lust. Der eigenen Idee.

Keine Sorge, liebe Wirtschaft: Die wenigsten Menschen wollen wirklich den ganzen Tag absolut gar nichts tun.

Aber sehr viele Menschen, das hat mir meine Erfahrung aus diesem Jahr gezeigt, wollen ihr eigenes Ding machen. Sie denken unternehmerisch und werden zurückgehalten; sie haben Ideen, die im Kern erstickt werden. Und dann denken sie, dass sie wertlos, dumm, faul sind. Ja, vielleicht sind sie für dieses Unternehmen auch „wertlos“, weil Arbeitnehmer gesucht werden, die sich anpassen, nicht mitdenken, ausführen und stillsitzenbleiben. Alles Qualitäten, die vielleicht für eine Festanstellung Sinn machen, aber nicht für das eigene Business.

Und das ist der Punkt. Die vermeintliche Unfähigkeit, nicht „normal“ sein zu können, ist eigentlich ein Geschenk. Denn sie bedeutet, kein „normales“ 08/15 Leben führen zu werden. Sie bedeutet, dass man die eigene, zurückgehaltene Kreativität und Arbeitslust in etwas Neues investieren muss.

Who wants to live a normal life anyways?

Ich finde es so schade, dass Frauen in Deutschland und Österreich entmutigt werden, zu gründen, ihr eigenes Ding zu machen, den nicht zu Tode gelatschten Pfad zu gehen. Es heißt immer, die Selbstständigkeit sei so schwierig, anstrengend und mit vielen Ängsten verbunden.

Dabei ist es für manche die Festanstellung, die mit viel größerer Schwierigkeit, Anstrengung und Angst verbunden ist.

Es tut gut, den Unterschied für sich selbst zu kennen.

Von Bianca Jankovska

Bianca Jankovska ist Kommunikationswissenschaftlerin und Wirtschaftsjuristin by Abschluss, Autorin und Philosophin by heart. Sie ist Gründerin des Magazins Groschenphilosophin - das erste Mag zur politischen und psychosozialen Dimension von Social Media, Spätkapitalismus und Popkultur.