In meinen Beratungen erlebe ich es immer wieder, dass Menschen vermeintlich nicht kündigen „können“, weil sie Angst haben, ihre Kollegen zu enttäuschen. Ein legitimer Punkt, schließlich werden uns Kollegen nicht selten schon beim Vorstellungsgespräch als neue Familie verkauft. Wir verbringen als Arbeitnehmer statistisch gesehen weitaus mehr Zeit mit unseren Kollegen, als mit unseren Partnern, Kindern und Freunden.
Dass dann das schlechte Gewissen drückt, wenn man sich vertschüssen will – geschenkt.
Man möchte die Kollegin, deren Beziehungsprobleme man sich seit Tag zwei anhören musste nicht mit ihren Gedanken alleine lassen. Man möchte den lästigen, aber immerhin beständigen Smalltalk mit der Werkstudentin aus der Sales-Abteilung nicht einfach so aufgeben. Man möchte weiterhin verfügbar sein, ansprechbar sein, da sein, wenn die Kommunikation zwischen Chefo und Team mal wieder eskaliert. Als Puffer, als Held, als Freundin.
Denn gemeinsam ist man ein eingeschworenes Team. Ja, zugegeben. Ich habe auch schon Freunde am Arbeitsplatz gemacht. Aber meist nicht, weil wir charakterlich oder werte-technisch so gut zusammengepasst haben, sondern, weil wir irgendwann von dem Druck und Leistungsanspruch ein Shared Trauma hatten.
Die Arbeitsfreunde die ich hatte, waren genauso angepisst vom System wie ich, sie standen internen Strategie-Entscheidungen kritisch gegenüber und entwickelten am Mittagstisch mit mir ein gemeinsames Feindbild. Klar verbindet das.
Aber ist das Grund genug, nicht zu gehen?
Erst letztens hatte ich einen Mann in meiner Beratung, der es in der Anwesenheit seines engsten Office-Freundes kaum noch für sich behalten konnte, gekündigt zu haben. Er fragte sich ständig, wie sein Gegenüber auf den Verrat reagieren würde und ob er ihn im Stich gelassen hätte. Schließlich säßen sie schon fünf Jahre am gleichen Tisch.
Ein paar Wochen nach seiner Kündigung fragte ich ihn im Follow-Up, wie es seiner Bromance ergangen sei. Ob sein Freund die Sache überlebt hätte. „Klaro“, sagte mein Klient. „War gar kein Problem. Ehrlich gesagt frage ich mich jetzt schon, warum ich überhaupt so ein schlechtes Gewissen hatte.“ Die Dynamik zwischen den beiden hatte sich nach seiner Kündigung verändert. Plötzlich saßen sie nicht mehr im selben Boot, hatten nicht mehr dieselben Probleme. Er war frei, sein Kollege nicht – und so endete die Freundschaft. Nach fünf gemeinsamen Jahren.
Ich muss aus eigener Erfahrung sagen: So ähnlich verlief es bei mir bisher auch immer, bis auf eine Ausnahme. Sobald ich mich befreit hatte, war ich kein Teil des Teams mehr, kein Teil der Leidensgemeinschaft, kein Teil der Familie. Das Interesse an mir schien mit jedem Tag, an dem mein Austritt näher rückte, weniger zu werden.
Was mich zu meiner heutigen THX BYE Message bringt.
Repeat after me: Kolleg*innen sind nie ein Grund, in einem Job zu bleiben, der einem nicht guttut. Sie sind eben nicht Familie – weder Herkunftsfamilie, noch Chosen Family. Sie sind in den allermeisten Fällen keine Freunde fürs Leben.
Sie sind in deinem Leben, weil du vielleicht an irgendeinem Tag in deinem neuen Job neben sie gesetzt wurdest. Nicht, weil ihr charakterlich oder wertetechnisch so gut zusammenpasst. Wahrscheinlich habt ihr noch weniger gemeinsam, als ihr denkt.
So leid es mir tut. Kollegen ersetzen kein intaktes Sozialleben, sie sind maximal eine angenehme Ergänzung. Deshalb: Augen auf beim schlechten Gewissen gegenüber deinen Kolleginnen.
Wenn du wegen deinen Kollegen bleibst, wirst du nie wissen, was die Welt noch für dich bereithält. Du bleibst aus selbstschädigender Solidarität mit ihnen in der Kantine oder hinter der Bar, du badest weiter mit ihnen in Selbstmitleid und vor allem tust du dir selbst keinen Gefallen, indem du bleibst. Weil du dich selbst aufhältst, das zu tun, was du möchtest. Nämlich gehen.
In diesem Sinne.
Happy Kündigen!
Bianca Jankovska.
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In meinem Buch „Potenziell furchtbare Tage“ (Haymon) schreibe ich über die Scham rund ums Thema Kündigen, und was wir gewinnen, wenn wir uns endlich trauen, zu gehen.